Im Mittelpunkt steht der Mensch
Als begeisterter Fotograf "baue" ich selbstverständlich gern Licht. Ich könnte mich stundenlang mit Hintergründen auseinandersetzen. Und wenn es um Kameratechnik geht, dann bin ich immer wieder fasziniert, womit die Kamerahersteller in ihren neuen Modellen an neuen Erfindungen auftrumpfen.
Doch was nutzt das alles, wenn nicht im Mittelpunkt des Ganzen der Mensch steht? Portraitfotografie ist Fotografie von Menschen und das ganze Drumherum dient letztlich doch nur einem Zweck: den Menschen und seine Seele in seiner bestmöglichen Form zu präsentieren. Ich schreibe hier bewusst "bestmöglich", da es in der Fotografie durchaus verschiedene Ansätze gibt, was die Darstellung im Bild anbetrifft.
Heißt "bestmöglich", dass die Schönheit im Mittelpunkt stehen soll? Oder ist ein Mensch dann "bestmöglich" getroffen, wenn er oder sie so authentisch wie möglich wiedergegeben wird? Die Frage lädt ein, darüber länger nachzudenken. Wenn man sich z.B. aktuelle Trends in der Fotografie vergegenwärtigt, so hat Authentizität einen enorm hohen Stellenwert erlangt in den letzten Jahren.
Man sieht es auch in der Kunst. Erfolg haben diejenigen, die so natürlich wie möglich rüberkommen. Das war nicht immer so. Es ist noch gar nicht so lange her, da war es für auftretende Künstler im Musik-Business ganz selbstverständlich eine zweigeteilte Persönlichkeit zu haben. Einmal gab es die Privatperson, die nur dem engsten Umfeld bekannt war. Und dann gab es noch die Bühnen-"Persona", die gewisse Manierismen auf der Bühne und in der Öffentlichkeit an den Tag legt.
In den letzten Jahren ist dieses Künstler-Naturell zunehmend von den authentischen Künstlern zurückgedrängt worden. Jene kennen keinen Unterschied mehr zwischen der Persönlichkeit auf der Bühne und jener abseits davon. SIe benötigen keine aufwändige Inszenierung mehr bei ihren Auftritten. Es reicht ihnen ein Stuhl oder Hocker und ein Mikrofon und wenn dann der Lichtspot erstrahlt und das Konzert beginnt, dann sind diese Künstler ganz bei sich und genau das ist es, weswegen das Publikum Eintritt bezahlt.
Warum ich das alles erzähle? Weil es darauf verweist, welche Bedeutung heute der Authentizität eines Menschen zugeschrieben wird. Die Beobachtung dieses Phänomens beschränkt sich nicht allein auf die Musik, sondern erstreckt sich auf alle anderen Teile kulturellen Schaffens. Hierzu zähle ich auch die Fotografie.
Womit wir wieder zu mir und meiner Herangehensweise beim Portraitieren von Musikern, Schriftstellern (für Buch Klappentexte oder Zeitungsartikel), Schauspielern, Malern, Sängern und allen anderen Künstlern wären. Ein Bild ist dann schön, wenn der Mensch auf dem Bild als solcher sichtbar wird und (ganz wichtig!) dieser auch mit dieser Darstellung zufrieden ist. Erst die Zufriedenheit mit der eigenen Abbildung des Selbst führt zur höchstmöglichen Authentizität.